Seoul verliert sich oft beider Aufzählung an Mega -Städten Asiens, wie Tokyo, Shanghai, Hongkong oder Singapur.
Aber vielleicht nicht mehr lange. Denn hinsichtlich der fortschrittlichen Entwicklung unter den Weltstädten braucht sich Seoul nicht zu verstecken, wie der Gewinn des 2018 Lee Kuan Yew World City Preises beweist.
Der Preis wird alle zwei Jahre von privaten Sponsoren und der Regierung Singapurs verliehen. Honoriert werden außerordentliche Maßnahmen einer Stadt, die eine lebenswerte, lebendige und nachhaltige Entwicklung fördern. Bewerben können sich daher weltweit Städte, die dann nach Voraussicht, Führungsstil, Innovation und den sozialen, wirtschaftlichen, kostensparenden, praktikablen und umweltfreundlichen Aspekten bewertet werden.
Nach einem halben Jahrzehnt leben und arbeiten in Seoul kann ich die Vergabe durchaus nachvollziehen, sehe aber auch noch einige Dinge kritisch.
Die Stadt hat eine wahnsinnig große Entwicklung hinter sich, wenn man bedenkt, dass sich Seoul nach dem Koreakrieg und der Besatzung Japans noch einmal selbst aus den Trümmern neu erschaffen musste.
Die Spuren Japans wurden spätestens ab den 90er Jahren in der Stadt großräumig entfernt. Das heißt Gebäude und Denkmäler wurden abgerissen und historische Gebäude, wie etwa der Gyeongbokgung Palast restauriert.
Gleichzeitig wurden durch den enormen Bevölkerungszuwachs und das sprunghafte Wachstum der Wirtschaft und Industrie ganze Stadtteile neu erschlossen und Wohngebiete und Industriegelände aus dem Boden gestampft. So ist der heutige südlich des Han-Flusses gelegene Teil Seouls, wie zum Beispiel Gangnam, eines dieser neuen Stadtteile und zeichnet sich durch hohe Bürotürme und monotone Wohnanlagen und Apartment-komplexe aus.
Mitte der 90er Jahre gab es dann aber wieder ein Umdenken. Durch den massiven Bebau der Stadt, sank die Lebensqualität erheblich und die Stadt sah sich gezwungen Maßnahmen zu ergreifen. Daraus resultierte etwa der auch im Wettbewerb hervorgehobene künstlich angelegte Fluss Cheonggyecheon. Der natürliche Flusslauf wurde zuerst in den 80er Jahren durch eine Schnellstraße überbaut und versandete. Später wurde der Fluss wieder nachgebaut, wird aber künstlich mit Wasser versorgt. Die zentrale Lage macht diesen Flusslauf zu einem beliebten Treffpunkt für Spaziergänge und ist auch bei Touristen beliebt. Jedoch kann man immer noch den künstlichen Charakter erkennen und für meinen Geschmack gibt es noch zu viel Beton am Fluss. Dies war jedoch ein erstes und wichtiges Signal für die später folgenden Projekte der Stadt.
Vor fünf Jahren waren Radfahrer noch seltene Wesen auf Seouls Straßen und das Auto war und ist bis heute noch die Nummer eins .
Jedoch hat sich auch dort einiges getan.
Am Han-Fluss entlang wurden die Radwege verbessert und vergrößert. Und auch auf den Straßen selbst gibt es immer mehr Radwege und Fußgängerzonen. Trotzdem ist es noch lange nicht auf dem Stand einer europäischen Stadt und als Radfahrer hat man keinerlei Rechte. Es gilt in Korea immer noch das Recht des Stärkeren und das ist in jedem Fall das Auto.
Äußerst vorbildlich finde ich das öffentliche Verkehrsnetz Seouls, aber auch ganz Koreas.
Es ist einfach, übersichtlich, bequem, sauber, sicher und preiswert. Natürlich gibt es, wie in jeder Großstadt, Stoßzeiten, in denen das Busfahren oder U-Bahn Fahren keinen Spaß macht. Und auch das Benehmen mancher Fahrgäste lässt manchmal zu wünschen übrig. Nichtsdestotrotz ist das System um Meilen fortschrittlicher als das jeder deutschen Stadt. Mit einer wiederaufladbaren Fahrkarte kann man sowohl in den Bussen,
der U-Bahn und sogar in Taxis bezahlen und rechnet beim Verlassen der Station automatisch den Fahrpreis ab. Auch die Beschilderung macht die Orientierung beim Umsteigen einfach. Noch besser wird es, wenn man sich die Apps zu den Verkehrsmitteln aufs Smartphone lädt. Dann sieht man die Ankunftszeit jedes Fahrzeugs, man kann sich die schnellste, bequemste oder billigste Fahrstrecke zum Endziel anzeigen lassen und wird sogar zum passenden U-Bahnwagon geleitet, mit dem man den kürzesten Fußweg beim Umsteigen hat. Alle Schilder sind mit Piktogrammen, Farben und englischer Bezeichnung so gestaltet, dass wirklich jeder den richtigen Weg finden kann.
Seoul hat wirklich gute Ansätze und ist auch sehr aktiv und schnell bei der Umsetzung von Stadtprojekten. Mal mehr mal weniger erfolgreich.
Aus meiner Sicht muss die Stadt aufpassen, sich nicht in Prestigeprojekten zu verrennen, die als Kopien anderer Stadtprojekte gesehen werden könnten. So etwa wie das neueste Seoullo 7017 Projekt, das als eine Fußgängerüberführung vom Zentralbahnhof wegführt und doch in großen Teilen an New Yorks High Line erinnert.
Es ist der Stadt Seoul zu wünschen sich weiterhin zu einer modernen, umwelt- und bürgerfreundlichen Stadt zu entwickeln und seine Identität dabei nicht aus den Augen zu verlieren.